Dienstag, 18. November 2014

Ärztezeitung! Labor liefert bei Borreliose-Verdacht nur Indizien

Auch in der Ärztezeitung findet man einen Bericht ht über die Unzulänglichkeiten von Bluttests.

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Labor liefert bei Borreliose-Verdacht nur Indizien

Die Labordiagnostik bei Verdacht auf eine Borreliose ist nicht einfach. Experten kritisieren die geringe Test-Sensitivität und fordern vermehrt öffentlich finanzierte Forschungsprojekte.
Von Thomas Meißner
ERFURT. "Nur der Erregernachweis ist krankheitsbeweisend!", betonte Dr. Armin Schwarzbach, Laborarzt aus Augsburg, bei der Jahrestagung der Deutschen Borreliose-Gesellschaft in Erfurt. 
Jedoch ist die Erfolgsrate solcher Nachweisversuche eingeschränkt. Nach Angaben des Nationalen Referenzzentrums für Borrelien ist ein Erregernachweis aus der Haut bei Erythema migrans mit der Kultur oder Polymerasekettenreaktion (PCR) zu 50 bis 70 Prozent erfolgreich, ein Erregernachweis bei Neuroborreliose im Stadium II in der Kultur und mit PCR gelingt nur in zehn bis zwanzig Prozent der Fälle. 
Und bei Lyme-Arthritis kann man mit der PCR lediglich bei 50 bis 70 Prozent der Patienten aus dem Gelenkpunktat den Erreger nachweisen.
Trotz dieser ernüchternden Daten werde derzeit nicht an einer Verbesserung der Teste gearbeitet, kritisierte Schwarzbach. Er und weitere Spezialisten beschreiben den ELISA-Suchtest, der die Gesamtmenge der im Blut vorliegenden Antikörper gegen Borrelia burgdorferi darstellen soll, als völlig ungeeignet.
Denn die Ergebnisqualität sei durchweg schlecht: Die Inter-Assay-Varianz liege zwischen 34 und 59 Prozent, die Sensitivität irgendwo zwischen 18 und 66 Prozent. Schwarzbach: "Vertrauen Sie nicht dem ELISA. Schließen Sie bei negativem ELISA nicht die Borreliose aus!"
Er sprach sich dafür aus, nur noch den Immunoblot als Borrelien-Nachweis zuzulassen, da er mit etwa 95 Prozent hochspezifisch und auch etwas sensitiver sei. Allerdings lassen sich auch damit bei vier bis sechs von zehn Patienten, trotz akuter oder chronischer Infektion, keine Borrelien-Antikörper nachweisen.

Labordiagnostik nur ein Puzzlestein

Die Labordiagnostik kann demnach nur ein Puzzlestein sein bei der Gesamtbeurteilung eines Patienten mit Verdacht auf Borreliose. Hilfreich sind gegebenenfalls weitere Teste wie der - ebenfalls kontrovers diskutierte - Lymphozytentransformationstest (LTT). 
Diesen empfiehlt Schwarzbach bei seronegativen Patienten mit typischer Symptomatik. Im Wesentlichen könne damit eine stattgehabte Infektion nachgewiesen werden. 
Der LTT sei jedoch auch als Indiz für die Dynamik der Krankheit geeignet, weil die Immunzellen ihre Reaktivität verlören, wenn sie etwa zwei Monate lang keinen Kontakt zum Krankheitserreger gehabt hätten. 
Persistiere ein pathologischer LTT, sei dies ein Hinweis auf eine (noch) bestehende Infektion. Die LTT-Spezifität gab Schwarzbach mit über 80 Prozent und die Sensitivität mit etwa 90 Prozent an. Ein weiteres Indiz liefert die Bestimmung der CD57-Zellen. Die Methode gilt als präzise, die Bewertung scheint noch nicht ganz klar.
Ebenso geben Liquortests keinen labortechnischen Ausschluss einer Neuroborreliose. Und bei Lyme-Borreliose im Stadium III ohne wesentliche ZNS-Beteiligung fänden sich zu 95 Prozent keine Liquor-Antikörper.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.borreliose-gesellschaft.de


Quelle: http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/zecken/article/858868/diagnostik-labor-liefert-borreliose-verdacht-nur-indizien.html

Montag, 14. April 2014

Ärzte Zeitung "Die Gefahr aus dem Wald"

Ärzte Zeitung, 14.04.2014

Die unterschätzte Syphilis aus dem Wald

Je mehr man über Borreliose herausbekommt, desto deutlicher wird das große Unwissen über sie. Das erklärt so manches Vorurteile und den Streit über Diagnostik und gesundheitliche Folgen.
Von Thomas Meißner

Borrelia burgdorferi: in Deutschland die häufigsten durch Zecken übertragenen Erreger.
ERFURT. Wegen der vielfältigen möglichen Spätfolgen gilt die von Zecken übertragene Borreliose als Syphilis aus dem Wald. Viele Krankheitsbilder werden dabei imitiert, besonders auch Autoimmunerkrankungen. Eine Ursache ist das variationsreiche Erscheinungs- und Verteilungsmuster der verursachenden Borrelien.
Es gibt verschiedene Borrelienspecies, die zum B. burgdorferi-senso-lato-Komplex gehören und die gelegentlich bei symptomatischen Patienten gefunden werden, berichtete Professor Christian Peronne aus Paris bei der Jahrestagung der Deutschen Borreliose-Gesellschaft (DBG) in Erfurt.
Dazu gehören etwa B. spielmanii bei frühen Hauterscheinungen, B. lonestari könnte für ein Lyme-Borreliose-ähnliches Krankheitsbild verantwortlich sein, B. lusitaniae ist bei Vaskulitis-Patienten gefunden worden.
Erst kürzlich entdeckt wurde B. miyamotoi, das für rezidivierende Fieberattacken oder Lyme-Borreliose-ähnliche Beschwerden in Asien, Europa und Nordamerika verantwortlich gemacht wird - um nur einige zu nennen.
Hinzu kommt, dass weitere beim Zeckenstich übertragene Bakterien, Viren oder Parasiten bedeutsam dafür sein könnten, ob und welche Beschwerden auftreten. So hat man in den USA bei zwei bis zwölf Prozent der Borreliose-Patienten eine humane granulozytäre Anaplasmose festgestellt, bei zwei bis 40 Prozent ein durch Babesien ausgelöstes Malaria-ähnliches Krankheitsbild.
Sprechen wir bei Borreliose also über viele verschiedene Krankheiten, handelt es sich in Wirklichkeit um ein Syndrom? Das sei schon möglich, sagt Professor Karl Bechter aus Ulm, einer der Organisatoren des DBG-Kongresses.
Er erinnert daran, dass Infektion nicht gleich Krankheit bedeutet: "Jede Infektionskrankheit hängt auch vom Wirt ab, von dessen genetischer Ausstattung, vom aktuellen Zustand seines Immunsystems und von anderen Infektionen, die vorher stattgefunden haben oder nicht."

Erreger überdauern und trotzen Antibiotika

Schaut man sich die Fähigkeiten des Erregers an, muss man feststellen, dass wir es mit einem äußerst trickreichen Gegner zu tun haben. Er zieht sich gern in bradytrophe Gewebe zurück und verändert seine Form so, dass er unterm Mikroskop oft gar nicht erkannt wird.
Die Borrelien bilden Zysten und können als solche lange Zeit überdauern und Antibiotika trotzen. Des Weiteren zeigen sie eine Art Schwarmverhalten. Mit dem hoch auflösenden Rasterkraftmikroskop hat Professor Eva Sapi aus New Haven in den USA "live" beobachtet, wie sich die Borrelien innerhalb weniger Tage zu symmetrischen Gebilden formieren und einen Biofilm bilden.
Diesen beschreibt Sapi als "stadtähnliche" Struktur mit Versorgungs- und Entsorgungskanälen. In vitro waren diese Biofilme mit diversen Antibiotika-Kombinationen nicht zu knacken, allenfalls war die Bakterienlast einzudämmen.
Wie sich das in vivo darstellt, ist bislang unklar, jedoch gibt es Hinweise darauf, dass auch in vivo diese Biofilme gebildet werden. Die diagnostischen Routine-Werkzeuge, um einen solch flexiblen Erreger zu identifizieren, wurden beim DBG-Kongress einhellig als völlig unzureichend beschrieben.
Der ELISA sei als Suchtest schlicht ungeeignet. Peronne zitierte mehrere Studien, in denen die Sensitivität der kommerziell angebotenen Assays mal zwischen 37 und 70 Prozent, zwischen 20 und 98 Prozent und mal zwischen 34 und 59 Prozent angesiedelt wurde.

Bessere diagnostische Tests dringend gebraucht

"Manchmal ist nicht die Zusammensetzung des Tests problematisch, sondern die Art der Durchführung in den Labors", kritisiert DBG-Vorstandsvorsitzender Professor Hartmut Prautzsch. Und Bechter ergänzt, dass die Herstellerfirmen die wissenschaftlich entwickelten Tests teilweise vereinfachen, was die Sensitivität weiter beeinträchtige.
Welches Labor welchen Test anwendet, weiß der beauftragende Arzt sowieso nicht - es würde ihm auch kaum nützen. Schon heute wäre es möglich, die Assays zu verbessern, sagen Experten. Doch seitens der Hersteller scheine daran kein Interesse zu bestehen.
Und hinsichtlich der Antikörper-Nachweise im Westernblot gilt: Man kann nur sehen, was man kennt. Zwar hat der Westernblot eine etwas höhere Sensitivität als der ELISA. Doch selbst im Frühstadium einer Borreliose muss in etwa 20 Prozent der Fälle von Seronegativität ausgegangen werden, in der Spätphase sind bis zu 50 Prozent seronegativ!
Die diagnostischen Werkzeuge bedürfen also dringend der Verbesserung. Entsprechende Forschung müsse mit öffentlichen Geldern gestützt werden, fordern Bechter und andere. Dies wird nur geschehen, wenn die Borreliose als bedeutsames Gesundheitsproblem erkannt worden ist.
In den USA ist man da weiter. Bei den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) hieß es im August 2013, die Lyme-Borreliose sei ein "enormes öffentliches Gesundheitsproblem", weil die Zahl der jährlich tatsächlich neu Erkrankten offenbar zehnmal höher sei, als die Zahl der gemeldeten Neuerkrankungen.